GESTANDENES HANDWERK IN EINHEIT VON MODE UND KUNST
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Landgericht Chemnitz (2020)

Ausstellung mit Vernissage im Landgericht Chemnitz

Modegrafiken und Menschenbilder aus 3 Jahrzehnten

Die Ausstellung im Landgericht Chemnitz ist geöffnet vom 21.01.2020 bis 02.03.2020 (Montag - Donnerstag von 08.30 bis 15.15 Uhr, Freitag 08.30 bis 13.00 Uhr, Samstag und Sonntag geschlossen)

Eröffnung am 21.01.2020

       

Laudatio

Sehr geehrte Damen und Herren,
kaum dass die Einladungen zu der heutigen Ausstellungseröffnung verschickt worden waren, kamen die ersten erstaunten Nachfragen seitens der Presse. Landgericht und Mode, so die einhellige Frage, wie geht das denn zusammen? Heutzutage führen sich zwar nicht gerade wenig Zeitgenossen so auf, als seien sie der Mittelpunkt der Welt, aber tatsächlich ist es doch so, dass in einer zivilisierten Gesellschaft niemand wie Robinson lebt und also jeder bekleidet ist. Mode ist also ein Thema, das jeden von uns betrifft. Dies gilt umso mehr in einer Zeit, in der zwei Strömungen unversöhnlich gegenüberstehen: "Geiz ist geil" auf der einen Seite und "Nachhaltigkeit" auf der anderen Seite. Bei der Metro gab es zuletzt in einer Geschenkbox 50 Paar schwarze Strümpfe zum Preis von zwölf Euro, made in China. Wenn man die Gewinnmarge von Metro, Verpackung und Transportkosten mal gedanklich abzieht, so fragt man sich, was das für Strümpfe sein sollen und unter welchen Bedingungen diese wohl produziert wurden. Ein ähnlicher Gedanke muss einem doch in den Sinn kommen, wenn bei Charme und Anmut oder anderen Bekleidungsspezialisten T-Shirts für 3 bis 5 Euro angeboten werden. Wer so etwas kauft, der hat den Respekt vor dem Handwerk verloren und betrachtet diese Kleidungsstücke wahrscheinlich nur als Fast food. Um diese Exzesse der Wegwerfgesellschaft geht es in unserer heutigen Ausstellung natürlich nicht.
Bevor ich mich der Ausstellung zuwende, möchte ich Ihnen zunächst unsere heutige Künstlerin vorstellen. Ihr Lebensmotto könnte von Georg Christoph Lichtenberg stammen: "Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber ich weiß, dass es anders werden muss, wenn es besser werden soll." Für Christine Werzner ging es immer nur darum, besser zu werden, und die Grenzen der eigenen Kreativität auszudehnen.
Christine Werzner stammt aus dem Erzgebirge und ist auch heute noch dort fest verwurzelt. Wenn Sie Google befragen, so verkündet er stolz nach 0,41 Sekunden, dass er ca. 17.200 Einträge gefunden habe. Dies ist auch ein Beleg für den Erfolg und die Quirligkeit von Christine Werzner. Das Handwerk hat sie von der Pike auf gelernt, indem sie zunächst eine Lehre als Herrenmaßschneiderin erfolgreich absolvierte. Hier hatte sich bereits ihr Talent gezeigt, so dass sie ab 1972 in Berlin zum Studium des Modedesign zugelassen wurde und dieses natürlich auch erfolgreich abschloss. Nach der friedlichen Revolution nutzte Christine Werzner die neuen Möglichkeiten und studierte ab 1994 an der technischen Universität Wuppertal Marketing und Management, um sich dann ab 1998 mit einem eigenen Modelabel selbstständig zu machen. Mit dem Erreichten gab sie sich jedoch nicht zufrieden und begann 2001 in Leipzig ein Studium für Kreativpädagogik und Kunsttherapie, dem ab 2008 ein weiteres Studium, nämlich Gestalter im Handwerk, folgte. Mit einer umfangreichen Dozententätigkeit gibt sie ihr Wissen und ihre Fähigkeiten an junge und junggebliebene Menschen weiter.
Im Treppenhaus, und damit darf ich zu der eigentlichen Ausstellung überleiten, sind Fotografien von einem Kurs an der Volkshochschule Chemnitz zu sehen. Wenn Sie sich die Teilnehmer anschauen, so werden sie sich vielleicht an einen Spruch von Karl Valentin erinnern: "Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit!" Das Kunsthandwerk, und die Mode in all ihren Facetten gehört eben auch dazu, macht noch viel mehr Arbeit, denn über die Kreativität hinaus ist hier auch hochkonzentrierte Genauigkeit erforderlich, um den Weg vom ersten Entwurf bis zum fertigen Produkt zu beschreiten. Beim Betrachten dieser Fotos können Sie dies unschwer erkennen, denn die Stimmung der Kursteilnehmer schwankte entsprechend zwischen Freude und Verzweiflung.
Der Titel unserer Ausstellung ist zutreffend, was die Auswahl aus drei Jahrzehnten anbelangt. Im Übrigen ist er natürlich zu kurz gegriffen, weil nicht nur Grafiken, sondern vor allem viele Originale gezeigt werden. Genau genommen werden zwei Grafiken, acht großformatige Fotocollagen und 40 Originale gezeigt.

Im Mittelpunkt dieses Ausstellungsraums hier stehen natürlich die Kleider. Anders als bei den Modeschauen zwischen Mailand und New York sehen Sie hier zwar ausgefallene, aber doch tragbare Mode. Und ein wenig Glanz darf ich Ihnen heute auch präsentieren: Ich bitte Sie um sehr herzlichen Applaus für Frau Günther und Frau Leicht aus der Zivilabteilung, die sich spontan bereit erklärt haben, uns heute jeweils ein wunderbares Kleid aus feinem italienischen Leder kombiniert mit Plauener Spitze vorzuführen.
Für Christine Werzner ist es ganz wichtig, Kleider zu entwerfen, die mehr als einmal und nicht nur auf dem roten Teppich getragen werden können. Nur heute können Sie hier im Saal diese Auswahl an Kleidern bestaunen. Für die meisten von uns ist es ja wirklich ein bestaunenswertes Wunder, was man mit Nadel und Faden alles zu Wege bringen kann, wenn man es denn kann. In diesem Wörtchen "wenn" liegt – wie so oft – das ganze Problem. Neben all den Feiertagsroben fallen hier zwei Kostüme aus dem Rahmen, die sich sowohl durch die Farben, als auch die Kürze des Röckchens und vor allem durch die Flügel abheben. Es handelt sich um zwei Ballettroben, die für den Sommernachtstraum entstanden und einmal mehr die Vielseitigkeit von Christine Werzner unter Beweis stellen.
Ein Kleid sehen Sie hier noch verhüllt. Dieses soll entsprechend dem Wunsch der Künstlerin erst mit der Ausstellungseröffnung enthüllt werden. Es handelt sich um das so genannte gläserne Kleid, das für einen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgeschriebenen Wettbewerb von Christine Werzner geschaffen wurde. Die Aufgabe bestand darin, Mode aus innovativen Werkstoffen zu schaffen, die sonst und vor allen Dingen in der Automobilindustrie verwendet werden. Wenn Sie heute also mit Ihrem Auto nach Hause fahren und in Ihrem Fahrzeug in den Autohimmel schauen, dann könnten sie zu sich sagen: "Das ist also das Material, aus dem man auch gläserne Kleider machen kann!" Und nebenbei: Dieses Kleid ist eines der Arbeiten von Christine Werzner, die mit einem Preis ausgezeichnet wurden..
Kleider machen Leute und nur wenige Menschen sind auch ohne Kleidung ganz ansehnlich. Wir zeigen hier im Erdgeschoss drei nackte Frauen und im dritten Obergeschoss zwei nackte Herren. Diese Arbeiten machen deutlich, dass Christine Werzner auch ohne Mode das Zeug zur großen Künstlerin hat. Während die nackten Männer in klassischer Akt-Pose gezeichnet wurden, wird von der Nacktheit der Frauen – obwohl auf den ersten Blick erkennbar - durch den kräftigen Auftrag von Deckweiß abgelenkt und dadurch zugleich der Phantasie des Betrachters keine Grenzen gesetzt.
Dass Christine Werzner so gar nichts mit der Wegwerfgesellschaft anfangen kann, ist auch bei ihren Collagen zu erkennen. Papierreste und Stoffreste, und seien sie noch so klein, kommen zum Einsatz und vollenden so ein kleines Kunstwerk. Bei anderen Collagen ist es so, dass die auf dem gleichen Blatt gezeigten Stoffe andeuten, aus welchem Material und in welcher Farbe die Entwürfe realisiert werden könnten. Zu den Entwürfen muss ich hier nicht viel sagen. Hingucker sind sie alle, sei es die Schlaghosen aus den 70er Jahren oder die überbreiten Schulterpartien aus den 80er Jahren, die Kniebundhosen für die Naturburschen oder die Abendkleider für die feine Dame. Als Stilmittel kommen Buntstifte genauso wie Aquarellfarben oder Pastellkreide zum Einsatz. Es werden aber nicht nur Entwürfe gezeigt, sondern auch Bilder, bei denen die Mode zwar auch die Hauptrolle spielt, es aber mehr um Effekte oder Bewegung geht. Ihnen allen ist sicher aus früher Jugend erinnerlich, dass man Papier mehrfach faltet, dann mit einer Schere bearbeitet und schließlich ein Serienbild auseinanderzieht. Auch zwei solcher Arbeiten werden im 3. Obergeschoss gezeigt, jeweils verfeinert mit wenigen Strichen in Bleistift oder Kugelschreiber, so subtil kann Kunst daher kommen!
Bevor Sie sich auf Entdeckerreise durch die Ausstellung hier im ganzen Haus begeben können, möchte ich zuvor Frau Päßler für die Mithilfe beim Einrahmen sowie den Herren Weißbach und Rönsch für die Hilfe beim Aufhängen danken. Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!

Impressionen

Presseartikel zur Ausstellung am Landgericht Chemnitz

(zum Vergrößern und Anzeigen des Artikels bitte auf das Bild klicken)

Bild in Lightbox öffnen (open image in lightbox). Blick - Ausgabe Erzgebirge - 01. Februar 2020
Bild in Lightbox öffnen (open image in lightbox). Blick - Ausgabe Marienberg - 01. Februar 2020